Gibt es ein Offroad-Gen?
Als Neuling auf diesem Gebiet liegt mittlerweile schon meine zweite Offroad-Tour hinter mir. Gerade während unserer letzten Tour stellte ich mir die Frage, ob alle begeisterten Offroader über ein sogenanntes Offroad-Gen verfügen? Zur Beantwortung, warum ich mir gerade diese Frage stelle, komme ich an späterer Stelle.
Auch in diesem Herbst waren wir eine Gruppe mit rund 120 geländegängigen Fahrzeugen, die nach und nach im Hafen von Ancona oder Venedig eintrudelten. Wir steuerten Ancona an, und die italienische Sonne schien heiß vom meist wolkenlosen Himmel. All die imposant aussehenden und top ausgestatteten Offroad-Autos so in Reih und Glied in der Warteschlange vor der Fähre zu sehen, bot ein durchaus beeindruckendes Bild. Niemand hatte es sich scheinbar nehmen lassen, sein Fahrzeug mit allen Raffinessen und Annehmlichkeiten wie beispielsweise mit einer Außendusche, einem Toilettenzelt sowie einer Markise auszustatten. Natürlich durften auch die gemütlichen Dachzelte nicht fehlen, die wirklich kuschelig sind, wenn man erst einmal oben ist.
Mit der Fähre ging es nach Patras in Griechenland, und ab hier tauchten wir in die Welt des Offroad-Fahrens ein. Auch wenn Offroad nach Abenteuer klingt, so sind die allabendlichen Campingplätze das genaue Gegenteil. Neben der Vorliebe für unwegsames Gelände sollte möglichst auch eine gewisse Neigung für Campingplätze samt ihrer ureigenen Idylle sowie den dazu gehörigen Waschräumen mitgebracht werden.
Von Griechenland navigierten wir uns in rund sieben Tagen über unebene Pfade und unwegsames Gelände bis nach Albanien. Wir legten so einige Höhenkilometer zurück und schlängelten uns steinige Straßen im Gebirge hoch und auf der anderen Seite wieder herunter. Die Aussichten waren atemberaubend, und die Wege teilweise so schmal und ohne Begrenzung, dass man besser nicht ins Tal hinunterschauen sollte. In Griechenland wie auch in Albanien kamen uns nicht selten einheimische Fahrzeuge entgegen, die nicht so aufgerüstet wie wir waren und diese Wege scheinbar nutzen, um ihrer täglichen Arbeit nachzugehen. Häufig muss es sich bei ihnen entweder um Landwirte gehandelt haben, die nach ihren Kuh- oder Schaf-Herden schauten, oder in steinverarbeitenden Betrieben etwas mehr in Richtung Tal arbeiteten. Was müssen sie nur von uns gedacht haben? So kommen wir zuhauf mit aufgemotzten Autos extra aus Deutschland tausende von Kilometer hierhergefahren, nur um auf ihren Straßen, die bei uns natürlich nicht als Straßen gelten würden und bestimmt auch nicht zur Durchfahrt freigegeben wären, das Offroad-Abenteuer zu suchen, während sie mit ganz normalen Fahrzeugen diese Hoppelpisten alltäglich nutzen, ohne darin wahrscheinlich das große Abenteuer zu sehen, auch wenn die Wege teilweise wirklich abenteuerlich waren und wir uns fragten, wie normale Autos diese Strapaze nur verkraften. Selbst aus unserer Gruppe hatte das ein oder andere Fahrzeug so seine Schwierigkeiten und kleinere bis größere Schäden am Fahrzeug.
Warum ich mir also die Frage nach dem Offroad-Gen stelle? Zum einen aus dem eben genannten Umstand und zum anderen deshalb, weil alles seinen festen und sicheren Platz während der Fahrt haben muss. So muss das kurzzeitige Zuhause auf vier Rädern gut durchdacht eingeräumt werden, und letztlich läuft es darauf hinaus, dass man allabendlich am Räumen und Aufbauen ist – Tische und Stühle werden aufgeklappt, das Dachzelt hochgeklappt und vorbereitet, die Markise ausgefahren und was nicht sonst noch alles – was am nächsten Morgen alles wieder fachgerecht verpackt und verstaut werden muss.
Die 00-Situation ist nicht selten erschreckend, und gerade auf der letzten Tour war aufgrund der Geröll lastigen und trockenen Wege alles mit einer feinen Staubschicht überzogen, gegen die auch der beste Wischmop keine allzu großen Chancen hatte. Je nach Straßenverhältnissen fühlte man sich hin und wieder wie ein hüpfender Flummi in einem Auto. Ein bestimmt amüsanter Anblick. War die Hoppelei zu schlimm, so hatte man nicht selten das Gefühl, abends erschöpft im Dachzelt liegend, weiter hin und her geschüttelt zu werden.
Fazit – man lebt auf sehr beengtem Raum mit meist schlechten 00-Gegebenheiten, alles ist mühsamer als zu Hause oder gar im Hotel, und man fragt sich durchaus, warum man sich das alles antut. Weil es dennoch Spaß macht und die Möglichkeit bietet, frei durch die verschiedenen Länder zu fahren und tolle Naturschauplätze anzusteuern, die man als „normaler“ Tourist in der Regel niemals sehen würde. Ich gehe davon aus, dass eingefleischte Offroader über meine hier aufgeführten Einwände wahrscheinlich nur müde lächeln, und demnach dürfte ich mit meiner Formulierung eines Offroad-Gens gar nicht so falsch liegen… Gestützt wird meine Annahme noch von dem T-Shirt-Aufdruck eines Offroaders, auf dem Geländewagen abgebildet waren: „Mein Arzt sagt, es ist unheilbar.“ Auch ohne dieses Gen zu besitzen, ist Offroad noch eines der letzten Abenteuer, und individueller lässt es sich kaum reisen. Dann also bis zum nächsten 4×4-Erlebnis…
© Stephanie Ebert
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