Unterwegs in der Heiligen Stadt
Vor unserer Reise nach Israel stellte ich mir das Heilige Land durchaus als einen beschaulichen und besinnlichen Ort vor. Auf das, was uns erwartete, war ich jedoch nicht vorbereitet. Vom Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv brachte uns ein Sherut, ein sogenanntes Sammeltaxi, geradewegs nach Jerusalem. Bereits bei der Ankunft verabschiedete ich mich schleunigst von meinen einst wohl eher romantischen Vorstellungen.
Bei einbrechender Dunkelheit kamen wir in Jerusalem an und stiegen auf der Jaffa Street aus – sie zählt zu einer der längsten und ältesten Hauptstraßen der Stadt. Da uns zahlreiche jüdische Einwohner entgegenkamen, wollten wir sie ohne weiter nachzudenken nach dem Weg fragen. Sie alle waren festlich gekleidet, die Männer trugen schwarze überdimensionale Hüte, unter denen die charakteristischen Schläfenlocken hervorschauten. Zu unserer Verwunderung zeigten sie sich jedoch äußerst abweisend und gaben uns zu verstehen, dass sie nicht angesprochen werden möchten. So erging es uns auch bei weiteren Versuchen, von einigen wurden wir schlichtweg ignoriert. Einerseits irritiert und andererseits belustigt über diese durchaus sonderbare Situation gaben wir es auf. Ein junges europäisches Paar konnte uns wenig später weiterhelfen. Endlich im Hotel angekommen, freuten wir uns auf die kommenden Tage, an denen wir uns Jerusalems bedeutendste Sehenswürdigkeiten ansehen wollten. Am nächsten Tag bot uns der Frühstücksraum im obersten Stockwerk des Hotels einen ersten Ausblick über Teile der Stadt. Ein echtes Highlight, doch dabei sollte dieser nur ein kleiner Vorgeschmack sein. In Jerusalem sind die Dachterrassen „rooftops“ längst kein Geheimtipp mehr und bieten spektakuläre Ausblicke. Gestärkt für den Tag traten wir aus dem Hotel und liefen das kurze Stück über die Jaffa Street zur Altstadt. Umgeben ist sie von einer Stadtmauer mit insgesamt acht Eingängen, einer davon das Jaffator, durch das wir in die Altstadt gelangten und uns direkt vor dem imposanten Gebäude des New Imperial Hotels wiederfanden. Von dort ließen wir uns einfach durch die engen Gässchen der Altstadt treiben. Hier reiht sich Geschäft an Geschäft und es wird scheinbar alles angeboten, was ein Touristenherz begehrt. Schnell spürte man, dass Jerusalem in den judäischen Bergen angesiedelt ist – es geht viel bergauf und bergab. Unser erstes Ziel war die Klagemauer, eine der religiösen Stätten des Judentums. Nachdem wir die Sicherheitskontrolle passiert hatten, standen wir auf dem Vorplatz, wo sich Einheimische, Gläubige und natürlich Touristen drängten. Da Shabbat war, durfte nicht fotografiert werden. Shabbat ist am siebten Tag innerhalb der jüdischen Woche und ein Ruhetag. Dieser beginnt, sobald am Freitagabend die Sonne untergegangen ist und endet am folgenden Samstag mit Sonnenuntergang. An der Klagemauer beten Frauen und Männer in getrennten Bereichen. Wir bestaunten das laute Treiben, direkt an der Klagemauer im Bereich der Frauen wurde geschupst und gedrängelt – von Besinnlichkeit keine Spur. Einige Frauen drehten mit ihren Handys sogar Videos. Hingegen ging es auf der Seite der Männer deutlich gesitteter und ruhiger zu. Als ich schließlich einen Platz an der Mauer ergattert hatte und kurz verweilen konnte, stellte sich trotz allen Trubels ein ganz besonderes Gefühl ein. Gläubige stecken oftmals handgeschriebene Zettel mit Gebeten und Danksagungen zwischen die Steinritzen, diese Tradition soll bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreichen. Aus Platzmangel fallen viele Zettelchen auf den Boden, die dann einfach dort liegenbleiben. Alle Zettel werden vor Pessach im Frühjahr, eines der wichtigsten Feste im Judentum und vor Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrstag, im Herbst aufgesammelt und ungelesen auf dem jüdischen Friedhof auf dem Ölberg begraben. Von der jüdischen Bevölkerung wird die Klagemauer „Westliche Mauer“ oder „Kotel“ genannt, da diese einst als Westmauer der Tempelanlage diente. Eines unserer nächsten Ziele war die Grabeskirche in der Altstadt. Die Kirche steht genau an der Stelle, wo nach Überlieferung Jesus Christus gekreuzigt, begraben und auferstanden sein soll. Zweifelsfrei zählt dieser Ort zu den Heiligtümern des Christentums. Auf dem Kirchenvorplatz herrschte, für solch einen Ort doch eher untypisch, ebenfalls ein lautes Gedränge und Geschubse. Viele Menschen hatten sich auf den Stufen des Vorplatzes niedergelassen, wurden von Geistlichen jedoch recht rüde aufgescheucht, um Platz für weitere ankommende Geistliche zu machen, die in die Kirche einmarschierten. Im Inneren der Kirche bot sich uns ein Bild, welches wir für einen heiligen Ort nicht für möglich gehalten hätten. Von andächtiger Stille konnte wahrlich nicht die Rede sein. Im Eingangsbereich verehrten Gläubige den Salbungsstein, auf dem der Leichnam Jesu nach der Kreuzigung mit Ölen eingerieben wurde. Mitgebrachte Gegenstände wie Fotos, Tücher, Rosenkränze und dergleichen wurden auf den Stein gelegt oder über die Steinfläche hin und her bewegt. In dem interessanten Jerusalem-Reiseführer von Stefan Gödde hatten wir gelesen, dass der Stein zwar für die Salbung stehe, jedoch erst nach einem Brand im Jahr 1808 an diese Stelle gelegt wurde. An einem der folgenden Tage, es war bereits später Nachmittag, ließen wir uns vom Damaskustor mit einer Taxe zum Ölberg fahren. Das Damaskustor ist das größte Tor der ummauerten Altstadt und führt in das muslimische sowie in das christliche Viertel. Anlässlich eines Aufenthaltes in Jerusalem sollte ein Besuch auf dem Tempelberg nicht fehlen, gelegen im Südostteil der Altstadt, der von König Herodes vor rund 2000 Jahren errichtet wurde. Auf dem künstlich angelegten Plateau befindet sich heute der Felsendom, eines der islamischen Heiligtümer und zugleich ihr ältester monumentaler Sakralbau. Auf dem südlichen Teil der Anhöhe liegt die al-Aqṣā-Moschee. Auch hier wurden wir am Eingang kontrolliert und anschließend mussten diejenigen einen sackähnlichen langen Rock überziehen, die zu viel Haut zeigten. Glücklicherweise wurde ich davon verschont, da diese Überziehröcke nicht sonderlich vertrauenserweckend aussahen. Wir konnten uns zwar auf dem Tempelberg frei bewegen und die besondere Atmosphäre in uns aufnehmen, jedoch blieb uns der Besuch der Moscheen als Christen verwehrt. Auch ist es allemal ratsam, sich vorher über die Öffnungszeiten des Tempelbergs zu informieren, die recht eng gesteckt sind. Yad Vashem, die internationale Holocaust Gedenkstätte, sollte auf alle Fälle mit viel Zeit und Ruhe besucht werden. Die Ausstellung im Museum zur Geschichte des Holocaust ist chronologisch aufgebaut und dokumentiert anhand von Fotografien, Exponaten, Videoinstallationen und Dokumenten den Völkermord an den europäischen Juden. Auf mehr als hundert Bildschirmen kommen Überlebende des Holocaust zu Wort. Eine mehr als beeindruckende Ausstellung, die sich nur schwerlich in Worte fassen lässt. In der Halle der Namen wird an alle Holocaustopfer erinnert, die auf grausamste und unvorstellbare Art ihr Leben verloren haben. Die eingangs erwähnten „rooftops“ bieten nicht nur spektakuläre Ausblicke, sondern entführen auch in die ganz besondere Atmosphäre Jerusalems, abseits des erwähnten Trubels rund um die heiligen Stätten. Um besinnliche Momente zu erleben, sollte man also nicht unbedingt die religiösen Anziehungspunkte aufsuchen. In dieser „erhöhten“ Ruhe wird einem erst so richtig bewusst, an welch einem besonderen Ort auf dieser Welt man sich befindet. Über den Dächern der judäischen Berge zieht die Stadt einem nach und nach in ihren Bann. So ist es uns zumindest ergangen… © Stephanie Ebert„rooftops“ und Klagemauer
Grabstelle Jesus Christus
Unter der großen Kuppel befindet sich die Ädikula und in diese Kapelle soll Jesus Christus in eine Grabhöhle gebettet worden sein. Das Gedränge vor der Grabstelle ist zu jeder Zeit enorm und es ist mit einer Wartezeit zwischen drei bis vier Stunden zu rechnen. Hat man diese Anstrengung hinter sich gebracht und wurde mehrfach von Aufpassern wie auch von Wartenden unschön angegangen, bleiben einem gerade mal rund ein bis zwei Minuten in der Kapelle, ehe man von einem Wärter unmissverständlich aufgefordert wird zu gehen. Diese Minuten reichten uns wahrlich nicht aus, um den Anblick dieser besonderen Stelle zu erfassen. Ernüchtert standen wir wieder vor der Kapelle und fragten uns, ob sich diese Anstrengung und dieser Zeitaufwand wirklich gelohnt haben. Dass muss wohl jeder für sich selber entscheiden, doch ein zweites Mal würden wir uns diese Prozedur nicht mehr antun. In kirchlich ausgerichteten kleinen Läden gibt es in unmittelbarer Nähe zur Grabeskirche spezielle Kerzen zu kaufen. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich nur davon abraten, diese zu kaufen und in der Grabeskirche anzünden zu wollen. Genau das taten wir, zusammen mit vielen anderen Besuchern, nur um zu sehen, dass diese umgehend ausgemacht und entfernt wurden. Danach war unser Bedarf eindeutig gedeckt und wir verließen schleunigst, sofern das aufgrund der Menschenmassen überhaupt ging, die Kirche. Gleichzeitig waren wir auf eine widersprüchliche Art froh, die Wartezeit auf uns genommen und trotz allen Trubels diesen heiligen Ort gesehen zu haben.Ölberg und der Garten Gethsemane
Diese Tageszeit erwies sich für den Ölberg als perfekt – wir konnten einen herrlichen Sonnenuntergang über den Hügeln der Stadt erleben. Eine Reise nach Jerusalem lohnt sich allein schon wegen dieser faszinierenden Ausblicke. Vor unseren Augen erstreckte sich die einmalige religiöse Vielseitigkeit – der Blick auf den Felsendom, die Minarette, Kirchtürme und Kuppeln. Und im Hintergrund funkelte hell die Skyline von West-Jerusalem. Der Ölberg ist 809 Meter hoch gelegen und einer der bedeutendsten Orte für Juden, Christen sowie den Islam. Unzählige jüdische Gräber erstrecken sich über die nach Jerusalem gerichtete Seite des Hanges. Im jüdischen Glauben kommt der Messias auf den Ölberg, um alle Toten auferwecken zu lassen. Auf seinem Weg durchquert er das Kidrontal, um dort das Jüngste Gericht abzuhalten. Das kleine Tal trennt den Tempelberg und die Altstadt Jerusalems im Westen und den Ölberg im Osten voneinander. Im Neuen Testament findet der Ölberg des Öfteren Erwähnung, so heißt es beispielsweise, Jesus sei vom Ölberg aus nach Jerusalem gezogen und letztlich von dort in den Himmel aufgefahren. Im Garten Gethsemane, den wir am Fuße des Hügels auch besuchten, ist Jesus laut Überlieferung von Soldaten verhaftet worden. Im muslimischen Glauben wird ebenfalls davon ausgegangen, dass im Kidrontal das Jüngste Gericht abgehalten wird. Unterschiedlich ist jedoch, dass Muslime davon ausgehen, dass ein Seil vom Tempelberg zum Ölberg gespannt wird, auf dem die Gerechten schließlich hinübergelangen. Es heißt, dass der Name Ölberg überwiegend in der deutschen Sprache verwendet wird. Olivenberg ist die ansonsten gängige und passende Bezeichnung für die dortigen Olivenhaine. Auf der Rückfahrt machten wir beim eben bereits erwähnten Garten Gethsemane einen kurzen Stopp. Die imposanten Olivenbäume dürften die beeindruckendsten und wichtigsten der Welt sein. Es wird angenommen, dass einige sogar aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert stammen.Tempelberg
Holocaust Gedenkstätte
Faszination Jerusalem